III. Internationales Symposium zur Genetik, Systematik und Ökologie des
    westpaläarktischen Wasserfrosch-Komplexes
    Vom 11.-15. Oktober 1999 fand am Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin das III. Internationale
		„Wasserfrosch-Symposium“ statt, an dem 35 Wissenschaftler und Studenten aus 14 europäischen Staaten teilnahmen.
  
		Einführend zum ersten Tagungsschwerpunkt „Systematik und Biogeographie“ gab R.GÜNTHER 
		(Berlin) eine Übersicht über die historische Entwicklung der
		taxonomisch-systematischen Forschung am westpaläarktischen
		Wasserfrosch-Komplex. Von den zwischen 1984 und 1995 zehn neu
		beschriebenen Wasserfroschtaxa werden von den meisten Spezialisten
		gegenwärtigen lediglich acht anerkannt. Der von SCHNEIDER 
		et al. (1993) aus Griechenland beschriebene Balkanwasserfrosch (Rana balcanica) stellt nach den
		Ergebnissen verschiedener genetischer Untersuchungen keine eigenständige
		Art dar, somit sind die auf der Balkanhalbinsel lebenden Seefrösche
		nach wie vor dem Taxon ridibunda zuzurechnen. Als ungültig erwies sich auch der für israelische
		Wasserfrösche vergebene Name Rana „levantina“.
		Hierbei handelt es sich eindeutig um ein Synonym von Rana bedriagae,
		einer Art, die bereits 1882 von CAMERANO aus Syrien beschrieben wurde.
  
		Auf der Grundlage molekularer Daten stellten J. PLÖTNER und
		T. OHST (Berlin) neue Hypothesen zur Systematik und Phylogenie des westpaläarktischen Wasserfroschkomplexes vor. 
		Danach leben auf Zypern sowie in Zentralasien noch unbeschriebene Wasserfroscharten. Weiterhin
		kann aufgrund der relativ hohen genetischen Distanzen zwischen den
		einerseits in Anatolien und den andererseits in Europa und im Nahen
		Osten (Syrien, Jordanien) vorkommenden Seefröschen davon ausgegangen
		werden, dass Anatolien weder durch R. ridibunda noch
		durch R. bedriagae besiedelt wird. Vielmehr dürfte es
		sich bei den anatolischen Fröschen um eine, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar um zwei separate Art(en) handeln.
  
		Die auf der Basis von Sequenzen mitochondrialer Gene
		(12S, ND3) berechneten Stammbäume verdeutlichen die engen
		phylogenetischen Beziehungen zwischen der nordafrikanischen Rana
		saharica und der auf der iberischen Halbinsel verbreiteten Rana
		perezi. Beide Arten dürften im Schwestergruppenverhältnis
		zueinander stehen. Gleichzeitig stellen sie die Schwestergruppe zu den
		restlichen westpaläarktischen Wasserfroscharten dar, welche sich
		wiederum in zwei separate Cluster unterteilen. Während das erste
		Cluster neben R. epeirotica, R. cretensis
		und R. bedriagae alle „ridibunda-ähnlichen“
		Taxa umfaßt, beinhaltet das zweite die „lessonae-ähnlichen“
		Arten, d.h. R. lessonae, R. bergeri und R.shqiperica.
  
		Eine detaillierte Studie zur geographischen Variabilität und
		Taxonomie der in der Türkei lebenden Wasserfrösche wurde von T. JDEIDI, C.C.
    BILGIN und M. KENCE (Ankara) präsentiert. Die mittels
		proteinelektrophoretischer Untersuchungen gewonnenen Daten sprechen
		ebenfalls für die Existenz zweier separater Formen im asiatischen
		Teil der Türkei. Beide Formen unterscheiden sich klar von R. ridibunda.
		Darüber hinaus sind nach den Ergebnissen multivariater statistischer
		Analysen, die auf der Basis morphometrischer und bioakustischer
		Parameter durchgeführt wurden, die in der südwestlichen Türkei
		verbreiteten Wasserfrösche als eigenständige Stammlinie anzusehen. JDEIDI et al. betrachten diese Form gegenwärtig noch als Unterart des
		Seefrosches (R. ridibundacaralitana) und im Gegensatz zu
    PLÖTNER und OHST nicht als evolutionäre Art. 
  
		Der „Pionier der Wasserfroschforschung“, LESZEK BERGER (Poznan), berichtete über die Ergebnisse seiner in einem
		Zeitraum von 20 Jahren durchgeführten, mehr als 1000
		Kreuzungsexperimente, in welche 16 Wasserfroschtaxa einbezogen wurden.
		Aus den meisten zwischenartlichen Kreuzungen gingen zwar lebensfähige
		Nachkommen (F1) hervor, jedoch war nur ein geringer Teil der
		F1-Hybriden auch fertil. Im Gegensatz zu den genetisch ausgerichteten
		Arbeitsgruppen stimmt BERGER mit der Auffassung SCHNEIDER überein,
		wonach die auf der Balkanhalbinsel vorkommenden Seefrösche eine
		eigenständige Spezies (Rana kurtmuelleri = Rana balcanica)
		darstellen, da die F2-Generation aus ridibunda x kurtmuelleri
		Kreuzungen unter experimentellen Bedingungen nicht lebensfähig war. 
  
          	Neue und z.T. spektakuläre Erkenntnisse zur Ökologie
		und Ethologie (Verhalten) von Wasserfröschen wurden im Rahmen des
		zweiten Themenkomplexes vorgestellt. In seinem Einführungsreferat
		analysierte U. REYER (Zürich) den Einfluß verschiedener ökologischer
		und ethologischer Parameter auf die Struktur gemischter
		Wasserfroschpopulationen, in denen R. ridibunda und/oder
		Rana lessonae sowie die Bastardform Rana esculenta
		vorkommen. REYER konnte u.a. zeigen, daß die Larven der drei Formen
		unterschiedlich auf Faktoren wie Prädatorendruck, Nahrungsangebot,
		Temperaturregime oder Pestizidbelastung reagieren und die
		Populationsstruktur mit den ökologischen Bedingungen korreliert.
  
		A. PAGANO, S. PLENET und P. JOLY (Lyon) untersuchten
		Zusammenhänge zwischen 14 quantitativen Habitatparametern und dem Vorkommen der einzelnen
		Wasserfroschformen. Im Vergleich zu R. lessonae und R.
		esculenta lebt R. ridibunda vorrangig in Gewässern
		mit hohem Sauerstoffgehalt. Solche Bedingungen sind vor allem in Gewässern
		gegeben, die einen geringen Anteil an organischem Material im Sediment
		aufweisen. Durch Laborexperimente konnten S. PLENET, P. JOLY, F.
		HERVANT und A. PAGANO (Lyon) nachweisen, daß Wachstum und Entwicklung
		von Seefroschlarven im Gegensatz zu Larven des Kleinen Wasserfrosches
		wesentlich vom Sauerstoffgehalt des Wassers beeinflusst werden. Bezüglich
		ihres Sauerstoffbedarfs nahmen Teichfroschlarven überraschenderweise
		eine intermediäre Position zwischen ridibunda und lessonae
		ein. Heterosiseffekte, wie sie in der Vergangenheit des öfteren
		postuliert wurden, konnten nicht nachgewiesen werden. 
  
		Über die Ergebnisse einer ökologischen Studie, die an
		Wasserfroschpopulationen in der unteren Donau-Aue durchgeführt wurde,
		berichtete D. COGALNICEANU (Bukarest). Die aus See- und Teichfröschen
		bestehenden Populationen bewohnen zwei flache Inseln, die regelmäßig
		überflutet werden. Nach den Ergebnissen skelettchronologischer
		Untersuchungen an 54 Tieren betrug das durchschnittliche Alter der
		adulten Individuen 5,2 ± 2,8 Jahre. Damit waren die Wasserfrösche im
		Mittel älter als die anderen acht im Untersuchungsgebiet lebenden
		Amphibienarten, für die Werte zwischen 3,2 (Triturus dobrogicus
		und Bombina bombina-Männchen) und 4,1 (Triturus vulgaris-&&Weibchen)
		ermittelt wurden. Darüber hinaus wiesen die Wasserfrösche auch das
		breiteste Nahrungsspektrum auf, wobei im intraspezifischen Vergleich
		Jungtiere ein breiteres Spektrum hatten und andere Nahrungstiere
		bevorzugten als Adulte. Kannibalismus ist unter Wasserfröschen weit
		verbreitet und wird als ein Faktor für die verschiedene räumliche
		Verteilung von Jung- und Alttieren angesehen. Im interspezifischen
		Vergleich war die Habitatüberlappung zwischen Wasserfröschen auf der
		einen Seite und Pelobates fuscus, Hyla arborea und Bombina
		bombina auf der anderen ebenfalls nur gering. 
  
		Erste Ergebnisse vergleichender Untersuchungen des
		Paarungs- und Territorialverhaltens männlicher See- und Teichfrösche
		wurden von K. Weidenberg, J. Plötner und S. Linke (Berlin)
		vorgestellt. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen stand die Frage, ob
		formspezifische Paarungsstrategien existieren, die in
		Wasserfroschpopulationen, in denen neben Seefröschen ausschließlich
		männliche Teichfrösche vorkommen, zur Aufrechterhaltung eines
		polymorphen Gleichgewichts zwischen den Seefrosch- und Teichfroschmännchen
		beitragen. Das Fehlen weiblicher Teichfrösche wirft zwangsläufig die
		Frage auf, wie bzw. unter welchen Voraussetzungen solche Populationen
		existieren können, da zwei genetisch verschiedene Männchenformen um
		die gleiche Weibchenform konkurrieren und aus theoretischen Erwägungen
		die Männchenform mit der im Mittel höheren Fitneß die andere verdrängen
		sollte.
  
		Die aufgezeichneten Verhaltensparameter wiesen eine hohe
		interindividuelle Variabilität auf. Bezüglich der Rufaktivität und
		des agonistischen Verhaltens konnten keine signifikanten Unterschiede
		zwischen den ridibunda- und esculenta-Männchen
		festgestellt werden. Die esculenta-Männchen zeigten jedoch
		eine höhere sexuelle Aktivität, was in der Anzahl der beobachteten
		Klammerversuche mit den sich im Versuchsteich befindenden ridibunda-&&Weibchen
		zum Ausdruck kam. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden dominante Männchen
		häufiger im Amplexus beobachtet als Männchen mit nur geringem
		Dominanzstatus. Formspezifische Paarungsstrategien waren nicht
		nachweisbar, somit dürfte das Paarungsverhalten nach dem gegenwärtigen
		Kenntnisstand keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle für die
		Aufrechterhaltung der Struktur und Dynamik von Rana ridibunda/Rana
		esculenta-%Männchen %Populationen spielen.
  
		Ausgehend von einer alternativen Hypothese, nach der R.
		ridibunda/R. esculenta-Männchen Populationen
		nur in Gebieten existieren können, in denen die Fitness der ridibunda-
		und esculenta-Männchen im Mittel gleich ist, untersuchten J.
		PLÖTNER und K. WEIDENBERG (Berlin) den Einfluss bestimmter
		Klimafaktoren auf das Paarungs- und Territorialverhalten unter seminatürlichen
		Bedingungen, mit dem Ziel, Aussagen zur Adaptationsfähigkeit, ökologischen
		Plastizität und Fitness der beiden Männchenformen zu treffen. Im
		Ergebnis dieser Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass das
		Paarungs- und Territorialverhalten von ridibunda- und esculenta-Männchen
		in prinzipiell gleicher Weise vom Klima beeinflusst wird, wobei die
		Seefroschmännchen teilweise etwas sensitiver auf Klimaschwankungen
		reagierten. Formspezifische Unterschiede waren lediglich in der
		Beziehung zwischen Rufaktivität und relativer Luftfeuchtigkeit zu
		verzeichnen. Während für ridibunda eine signifikant positive
		Korrelation zwischen beiden Parametern ermittelt wurde, hatte die
		Luftfeuchte nur einen geringen Einfluss auf die Rufaktivität der esculenta-Männchen.
		Konkrete Hinweise auf eine unterschiedliche Fitness der beiden Männchenformen
		ergeben sich aus den vorliegenden Daten jedoch nicht.
  		
		Mit Hilfe bioakustischer Analysen gingen J. Wycherley, T.
		Beebee (Falmer Brighton Sussex) und S. Doran (Guildford Surrey) der
		Frage nach, ob die in Norfolk (England) lebenden Populationen des
		Kleinen Wasserfrosches (Rana lessonae) natürlichen
		Ursprungs sind oder eingeführt wurden. Gegenwärtig kann diese Frage
		nicht beantwortet werden, da regionale Differenzen (Akzente) der Rufe
		mit den z.Z. verfügbaren Analyseprogrammen nur unzureichend
		dargestellt werden können.
  
		Der dritte Schwerpunkt des Symposiums befaßte sich mit
		Problemen der Entwicklungsbiologie und Zytogenetik. M. Ogielska
		(Polen) stellte in ihrem Übersichtsreferat ausführlich den aktuellen
		Wissenstand zur Gametogenese (Keimzellenbildung), Embryogenese und
		Ontogenese von Wasserfröschen dar. Die Keimzellenbildung (Oogenese
		und Spermatogenese) ist bei Rana lessonae und Rana
		ridibunda weitgehend identisch und ähnelt der anderer
		Ranidenarten. Die Gonadenbildung beginnt in frühen Larvalstadien, im
		Stadium 27-28 (nach Gosner 1960) erfolgt die sexuelle Differenzierung.
		Während die Männchen die Geschlechtsreife bereits nach 1-2 Jahren
		erreichen, sind die Weibchen erst nach 2-3 Jahren geschlechtsreif.
		Dieser zeitliche Mehrbedarf wird vermutlich für das Wachstum und die
		Reifung der Eizellen benötigt. Im Vergleich zu Rana lessonae
		und Rana ridibunda verzögert sich bei der hybriden Rana
		esculenta die Differenzierung der Keimdrüsen. Während dieser
		Verzögerungsphase wird ein elterlicher Chromosomensatz (entweder der lessonae-
		oder der ridibunda-Satz) aus der Keimbahn ausgeschlossen und
		der verbleibende Satz verdoppelt. Genetische Rekombination, d.h. ein
		Austausch von genetischem Material zwischen dem lessonae- und
		dem ridibunda-Genom (Genom = Gesamtheit der Erbanlagen), findet
		nicht oder in nur sehr geringem Umfang statt, die Vererbung erfolgt
		also weitgehend klonal. Im Zusammenhang mit diesen
		Vererbungsmechanismen treten bei esculenta z.T. gravierende Störungen
		der Keimzellenbildung auf. Bei vielen Tieren verzögert sich
		beispielsweise der Beginn der Meiose (Reduktionsteilung). Auffällig
		ist auch die hohe Mortalität während der Embryonalentwicklung.
		Abnormitäten wie unregelmäßige Furchungen, Ödeme oder
		Exogastrulation können ebenfalls häufig beobachtet werden.
  
		R. ALTWEG (Zürich) berichtete, wie bestimmte
          Faktoren (innerartliche Konkurrenz, Anwesenheit von Prädatoren), die
          während der Larvalphase auf Rana lessonae und Rana
          esculenta einwirkten, das Wachstum und die Überlebensrate nach
          der Metamorphose beeinflussen können. In verschiedenen Experimenten
          wurden gemischte Gruppen von lessonae- und esculenta-Kaulquappen
          in drei verschiedenen Dichten sowie bei An- und Abwesenheit von Larven
          der Großen Königslibelle (Anax imperator) gehalten. Nach der
          Metamorphose wurden die Individuen markiert, in Außengehege umgesetzt
          und bis zum nächsten Frühjahr beobachtet. Der Zeitpunkt der
          Metamorphose sowie die körperliche Verfassung (Lebendmasse) haben
          offenbar einen gravierenden Einfluss auf die Mortalität während der
          ersten Überwinterung. Individuen, die zeitig metamorphosierten oder
          zum Zeitpunkt der Metamorphose eine hohe Lebendmasse aufwiesen, hatten
          bessere Überlebenschancen, als Tiere, die erst spät die Metamorphose
          beendeten oder kleinwüchsig waren. Bei Anwesenheit von Prädatoren
          metamorphosierten die Kaulquappen später, im Vergleich zu den
          Kontrollgruppen war die Lebendmasse dieser Tiere jedoch größer. Die
          negativen Effekte einer Entwicklungsverzögerung können somit durch
          eine höhere Lebendmasse kompensiert werden. Ein signifikanter
          Einfluss der anwesenden Prädatoren auf die Überlebensrate war nicht
          nachweisbar. Individuen, die als Larven bei geringen Dichten
          aufwuchsen, wiesen unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Metamorphose und
          ihrer Konstitution eine geringere Mortalität auf. Nach der
          Metamorphose hingen die relativen Wachstumsraten nicht von der Körpergröße
          ab, sondern waren umso höher, je zeitiger das Individuum die
          Metamorphose beendete.
  
		Im Rahmen des vierten Tagungsschwerpunkts wurden neue
          Ergebnisse und Hypothesen zum Problemkreis „Hybridogenese und
          Hybridolyse“ vorgestellt. C. Som (Zürich) ging der Frage nach, ob
          erfolgreiche Paarungen zwischen esculenta-Individuen (E x E)
          die Mutationsbelastung des in lessonae/esculenta-Populationen
          klonal vererbten ridibunda-Genoms reduzieren könnten. Die
          Computersimulationen lassen folgende Schlussfolgerung zu: Prinzipiell
          können erfolgreiche E x E Paarungen die mittlere Anzahl der
          Mutationen auf dem ridibunda-Genom stabilisieren, wobei dieser
          Effekt (1) von der Anzahl solcher Paarungen, (2) der Populationsgröße,
          (3) der Anzahl vorkommender Hemiklone sowie deren Diversität, (4) der
          absoluten und geschlechtsspezifischen Mutationsrate und (5) dem Verhältnis
          zwischen der mittleren Mutationszahl und der Anzahl fixierter
          Mutationen in einer Population abhängt. Somit kann die oft getroffene
          Annahme, esculenta würde aufgrund ihrer klonalen
          Reproduktionsmodi einen sogenannten „toten Ast“ in der Evolution
          darstellen, zumindest in dieser generellen Form nicht länger
          aufrechterhalten werden.
  
		In der Vergangenheit konnte durch umfangreiche
          Kreuzungsexperimente wiederholt gezeigt werden, dass die Nachkommen
          homotypischer esculenta-Kreuzungen (E x E) nicht lebensfähig
          sind bzw. kurz nach der Metamorphose (im Freiland spätestens während
          der ersten Überwinterung) sterben. Als hypothetische Ursache für
          dieses Phänomen wird die Akkumulation rezessiver Letalfaktoren auf
          den klonal vererbten ridibunda-(R-) Genomen angesehen. Im
          homozygoten Zustand - dieser tritt immer dann ein, wenn Ei- und
          Spermazelle die gleichen Hemiklone enthalten - können Letalfaktoren
          zu Entwicklungsstörungen und letztendlich zum Tod des Organismus führen.
          Treffen jedoch verschiedene Hemiklone aufeinander, sollten die Zygoten
          lebensfähig sein, da die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass
          unterschiedliche klonale Linien die gleichen rezessiven Letalfaktoren
          tragen. Ausgehend von diesen Überlegungen führte C. Vorburger (Zürich)
          verschiedene Kreuzungsexperimente mit R-Gameten bildenden esculenta-Individuen
          aus verschiedenen Populationen sowie R. ridibunda durch
          und analysierte die Überlebensrate der Larven sowie deren
          Entwicklung. Die Differenzierung der einzelnen Hemiklone erfolgte
          mittels Enzymelektrophorese. Die durchgeführten Experimente bestätigten
          nur teilweise die oben postulierte Hypothese. Während aus Kreuzungen
          zwischen ridibunda und esculenta erwartungsgemäß
          Larven hervorgingen, die sich hinsichtlich ihrer Vitalität und
          Entwicklung nicht von den Nachkommen homotypischer ridibunda-Kreuzungen
          unterschieden, führten die esculenta-Kreuzungen zu z.T.
          widersprüchlichen Resultaten. Nicht aus allen Kreuzungen, an denen
          verschiedene Hemiklone beteiligt waren, entstanden auch lebensfähige
          Nachkommen. Dagegen brachten einige Kreuzungen zwischen Individuen,
          die aus der gleichen Population stammten und von denen angenommen
          wurde, dass sie identische R-Genome vererbten, lebensfähige
          Nachkommen hervor. Es muss also weiterhin offenbleiben, ob die bei
          RR-Nachkommen homotypischer esculenta-Kreuzungen beobachtete
          Mortalität ausschließlich durch Letalfaktoren hervorgerufen wird.
  
		In der fünften und zugleich umfangreichsten Sitzung wurden
          Arbeiten zur Populationsbiologie und -genetik vorgestellt und diskutiert. L.
    BORKIN, A.E. VINOGRADOV,
          J.M. ROSANOV und S.N. LITVINCHUK (St. Petersburg) berichteten, dass im
          europäischen Teil der ehemaligen UdSSR bisher neun verschiedene
          Populationssysteme gefunden wurden. Neben Populationen, in denen
          jeweils nur eine Form vorkommt (ridibunda-, lessonae-,
          und esculenta-Populationen), treten folgende Mischpopulationen
          auf: ridibunda/lessonae-, ridibunda/esculenta-,
          lessonae/esculenta-, ridibunda/esculenta/lessonae-,
          lessonae/esculenta-Männchen und ridibunda/esculenta
    -Weibchen
          Populationen. Bis auf ein Tier waren alle untersuchten Teichfrösche
          diploid, das einzige triploide Exemplar wurde in der Nähe der
          polnischen Grenze (Provinz Kaliningrad) gefangen. Aus taxonomischer
          Sicht ist noch erwähnenswert, dass zwischen europäischen und
          asiatischen Seefröschen signifikante Differenzen in der Größe des
          Genoms nachgewiesen werden konnten.
  
		Erkenntnisse zur Struktur der auf den Inseln Wolin und
          Usedom lebenden Wasserfroschpopulationen präsentierte M. RYBACKI (Poznan).
          Während Wolin von ridibunda/esculenta-Populationen (RE)
          besiedelt wird, konnten auf Usedom nur reine Hybridpopulationen
          nachgewiesen werden. Dieses Besiedlungsmuster steht im Einklang mit
          der Verbreitung der verschiedenen Populationssysteme in Pommern (östlich
          der Oder kommen vorwiegend ridibunda/esculenta- und lessonae/esculenta-Populationen
          vor, während in Mecklenburg-Vorpommern hauptsächlich reine
          Hybridpopulationen mit z.T. hohen Anteilen an triploiden Tieren
          leben). Bezüglich ihrer genotypischen Struktur ähneln die auf Wolin
          lebenden Populationen sehr denen von Bornholm, was M. RYBACKY und K. FOG (Veks) in Zusammenhang mit der geologischen Historie dieser Inseln
          diskutierten. Bornholm stellt gleichzeitig die nordwestliche
          Verbreitungsgrenze des Seefrosches dar. Die auf der Insel Christians
          lebenden Wasserfrösche gehen auf Individuen zurück, die vor ca. 50
          Jahren von Bornholm eingeführt wurden.
  
		V. Zavadil, P. Kotlik, P. Kolman (Prag) und J. Marik (Cheb)
          gaben eine Übersicht über die rezente Verbreitung der einzelnen
          Wasserfroschformen im Distrikt Cheb (West-Böhmen). Folgende
          Populationssysteme wurden gefunden: lessonae-Populationen,
          gemischte lessonae/esculenta-Populationen, ridibunda/esculenta-Populationen
          sowie Populationen, in denen der Hybrid zusammen mit beiden
          Elternarten vorkommt. In letzteren wurden unter den Seefröschen nur ridibunda-Weibchen&&
          gefunden, bei denen es sich vermutlich um die Nachkommen homotypischer
          esculenta-Paarungen handelte. Nach den Ergebnissen
          zytomorphologischer Analysen (Vermessung von Erythrozyten) waren von
          522 untersuchten Individuen nur zwei triploid. 
  
		Neben biometrischen Blutzellanalysen kann der Ploidiegrad
          auch durch Messungen des DNA-Gehalts der Erythrozyten ermittelt
          werden. Der dafür erforderliche Blutausstrich wird an der Luft
          getrocknet und nach der Feulgen-Methode gefärbt. Die Bestimmung des
          DNA-Gehalts erfolgt mittels Densitometrie (Farbdichtemessung). M.
          Ogielska, K. Kazana und J. Kusznierz (Wroclaw) berichteten über ein
          Experiment, mit dem u.a. geprüft wurde, ob bzw. inwieweit die
          Fixierungsmethode des Blutes die Ergebnisse densitometrischer
          Messungen beeinflust. Die Messungen erfolgten sowohl an
          luftgetrockneten Blutsausstrichen, die längere Zeit ohne spezielle
          Fixierung gelagert wurden, als auch an Carnoy-fixierten Ausstrichen je
          eines R. lessonae- und Xenopus laevis
          -Individuums. Ein Vergleich der Meßergebnisse ergab keine
          signifikanten Differenzen zwischen fixierten und unfixierten
          Ausstrichen.
  
		Im zweiten Teil des Experiments wurde der DNA-Gehalt der
          Ausstriche bestimmt und daraus Rückschlüsse auf den Ploidiegrad
          (Anzahl der Chromosomensätze) gezogen. Nach den erhaltenen Messwerten
          waren die meisten Tiere diploid (2C), daneben traten jedoch auch Tiere
          mit einem offensichtlich geringeren (ca. 1,5 C) bzw. höheren (ca. 2,5, 3 und 4C) Ploidiegrad auf. Werte von 1,5 C
          bzw. 2,5 C charakterisieren mit hoher Wahrscheinlichkeit aneuploide
          Individuen. Karyotypanalysen (Bestimmung der Chromosomenzahl), die
          diese Hypothese verifizieren könnten, stehen jedoch noch aus.
          Abschließend sei noch darauf verwiesen, dass in einer von drei
          untersuchten Populationen nur eine geringe Korrelation (r = 0.49)
          zwischen der Zellfläche und dem densitometrisch ermittelten
          DNA-Gehalt zu verzeichnen war. Dieser Befund bestätigt die Ergebnisse
          früherer Studien, wonach eine zweifelsfreie Bestimmung des
          Ploidiegrades allein auf der Basis zytomorphologischer Parameter (Länge und Fläche der
          Erythrozyten) nicht in allen Populationen möglich ist.
  
		P. Mikulicek (Bratislava) und P. Kotlik (Prag) konnten an
          einer esculenta-Population in der westlichen Slowakei die von
          anderen mitteleuropäischen Teichfroschpopulationen bekannten
          Vererbungsmuster noch einmal bestätigen. Während in der slowakischen
          Population die diploiden Individuen ausschließlich haploide R-Gameten
          bildeten, war in den Keimzellen der untersuchten triploiden Tiere nur
          das genetische Material des Kleinen Wasserfrosches nachweisbar.
          Offenbar bildeten die triploiden Teichfrösche auch diploide Spermien
          (LL). Ob diese jedoch- wie vermutet- auch befruchtungsfähig sind und
          in der Kombination mit haploiden R-Eiern wieder zu triploiden
          Nachkommen führen, erscheint fraglich, zumal viele diploide
          Teichfrosch-&&Weibchen diploide (LR) Eier bilden und triploide
          Tiere folglich auch aus der Kombination zwischen einem diploiden Ei
          und einem haploiden Spermium entstehen können.
  
		Über Teichfroschpopulationen, in denen ausschließlich
          diploide Individuen vorkommen, berichtete G.A. Lada (Tambov). Solche
          Populationen wurden zwischen 1988-1990 und 1994-1996 in der Region
          Belgorod (Rußland) gefunden. Im Vergleich zu den mitteleuropäischen
          Teichfroschpopulationen, wo die meisten diploiden esculenta-Männchen
          nur die genetischen Informationen von Rana ridibunda an
          ihre Nachkommen weitergeben, bildeten einige Hybrid-Männchen in dem
          von Lada beschriebenen Populationssystem auch sogenannte L- Gameten
          (Keimzellen), die nur die Erbinformationen von Rana lessonae
          enthalten. Neben Männchen, die ausschließlich R- bzw. L-Gameten
          bildeten, kamen auch solche vor, die die Genome beider Elternarten
          vererbten.
  
		Gestörte Geschlechterverhältnisse sind innerhalb des
          mitteleuropäischen Wasserfroschkomplexes ein weit verbreitetes Phänomen.
          In vielen Populationen ist besonders bei der hybriden Rana esculenta
          ein deutlicher Überschuss eines Geschlechtes zu verzeichnen, im
          Extremfall kommen nur Männchen oder nur Weibchen vor. Ähnliche Verhältnisse
          konnte D. Schmeller (Mainz) auch in Südwesteuropa beobachten, wo R.
          ridibunda, R. perezi und der auf diese Arten zurückgehende
          Grafsche Hybridfrosch (Rana grafi) unterschiedlich
          strukturierte Populationen bilden. So trat sowohl in perezi/grafi-
          als auch in perezi/grafi/ridibunda-Populationen
          bei grafi ein deutlicher Weibchenüberschuß auf.
  
          		Die Existenz verschiedener Populationssysteme mit
          unterschiedlichen Anteilen an hybridogenetischen Teichfröschen
          verdeutlicht die enorme Komplexität und Variabilität der
          Reproduktionsmodi innerhalb des europäischen Wasserfroschkomplexes.
          Bisher ist noch weitgehend ungeklärt, welche Faktoren die Struktur
          und Dynamik der einzelnen Populationssysteme bestimmen bzw.
          beeinflussen. Auf der Basis mathematischer Modelle konnten B.
          Hellriegel und H.-U. Reyer (Zürich) zeigen, dass in esculenta/lessonae-Populationen
          die Paarungswahl, die relative Fruchtbarkeit der beiden
          Wasserfroschformen, die Konkurrenzfähigkeit (der Larven) und die räumliche
          Verteilung der Individuen im Habitat die Populationsstruktur und
          -dynamik entscheidend beeinflussen können. Nach den Ergebnissen der
          Computersimulationen wird die Koexistenz beider Wasserfroschformen vor
          allem durch Unterschiede in der formspezifischen Fruchtbarkeit
          bestimmt. Darüber hinaus kann die Verteilung der Individuen die
          Populationszusammensetzung (d.h. den jeweiligen Anteil der beiden
          Formen) vor allem in solchen Habitaten beeinflussen, in denen die
          Konkurrenzfähigkeit von lessonae und esculenta annähernd
          gleich ist, wobei ökologisch und reproduktiv bedingte Dispersion
          gegensätzliche Effekte zeigen. Auf der Grundlage der von Hellriegel
          und Reyer entwickelten mathematischen Modelle kann die in natürlichen
          Populationen über längere Zeiträume beobachte Stabilität des
          quantitativen Verhältnisses zwischen lessonae und esculenta
          erklärt werden. Darüber hinaus ist es möglich, neue Hypothesen für
          die z.T. deutlichen Unterschiede in der genotypischen Zusammensetzung
          lokaler Populationen als Grundlage für weiterführende Labor- oder
          Freilandexperimente zu postulieren.
  
		Die Ergebnisse einer Freilandstudie an einer Schweizer
          Wasserfroschpopulation, in der esculenta gemeinsam mit beiden
          Elternarten vorkommt, stellte A.-K. Hohlenweg (Zürich) vor, wobei das
          Hauptaugenmerk auf mögliche Zusammenhänge zwischen form- respektive
          geschlechts-spezifischem Verhalten und der Populationszusammensetzung
          gelegt wurde. Das untersuchte Populationssystem umfasste neun Laichgewässer,
          die deutliche Unterschiede im absoluten und relativen Anteil der drei
          Wasserfroschformen aufwiesen. Während die Häufigkeit der einzelnen
          Genotypen mit der Gewässergröße und -gestalt sowie der Vegetation
          in Zusammenhang gebracht werden konnte, wurde das Geschlechterverhältnis
          offenbar von Schwankungen der Wassertemperatur beeinflusst. Der größte
          Teil der Frösche verblieb während einer Laichsaison im angestammten
          Gewässer und kehrte nach der Überwinterung wieder in dieses zurück.
          Nur 10,6 % der Tiere wechselten das Gewässer innerhalb einer Saison
          und lediglich 14,5 % besiedelten im Folgejahr ein neues Gewässer. 96
          % der abgewanderten Individuen verblieben mindestens eine Saison in
          ihrem neuen Laichgewässer und 92 % wanderten im Beobachtungszeitraum
          nicht wieder zu ihrem früheren Gewässer zurück. Diese Zahlen
          verdeutlichen, dass auch Wasserfrösche eine enge Bindung an ein
          bestimmtes Laichgewässer besitzen - eine Erkenntnis, die bisher im
          praktischen Naturschutz weitgehend vernachlässigt wurde.
  
		Neben der Darstellung konkreter Forschungsergebnisse
          ermöglichte das Symposium auch eine intensive Diskussion über die
          Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen verschiedener Methoden im Rahmen
          feldbiologischer und experimenteller Untersuchungen an Wasserfröschen.
          So stellten N. Bressi, A. Iaccarino und B. Diana (Trieste) eine
          einfache, sehr kostengünstige und schonende Methode vor, mit der das
          Nahrungsspektrum von Fröschen bestimmt werden kann. Mittels einer
          Spritze, die mit einer flexiblen Kanüle versehen ist, wird der Magen
          mit Wasser ausgespült und der Mageninhalt mit einem Netz
          (Maschenweite 0,1 mm) aufgefangen. Die Konservierung des Mageninhalts
          kann in 70%igem Alkohol erfolgen. In Abhängigkeit von der Größe der
          Tiere (untersucht wurden 241 Tiere mit einer Körperlänge von 30-155
          mm) werden Spritzen mit einem Volumen von 20 und 60 ml und Kanülen
          mit einem Durchmesser von 1 und 5 mm empfohlen. Die mit dieser Methode
          erzielbaren Ergebnisse sind weitgehend mit denen einer Magensektion
          vergleichbar. Todesfälle, Verletzungen oder Traumata traten bei den
          untersuchten Tieren nicht auf.
  
		Über die Entwicklung neuer molekularer Marker (RAPD-Marker,
          Mikrosatelliten), die vor allem für zukünftige populationsgenetische
          Untersuchungen aber auch taxonomisch-systematische Studien neue und
          interessante Perspektiven eröffnen, berichteten I. Zeisset (Brighton)
          und H.-J. Hotz (Philadelphia). 
  
		In der Abschlußdiskussion bekräftigten alle
          Tagungsteilnehmer ihr Interesse an einer Vertiefung der
          internationalen Zusammenarbeit. Geplant ist die Schaffung eines europäischen
          Netzwerkes „Water Frog Research“, mit dem Ziel, die vorhandenen
          Forschungskapazitäten zu bündeln, um auf diese Weise noch offene
          Fragen effizienter klären zu können. In den kommenden Jahren ist mit
          einer weiteren Zunahme der Forschungsaktivitäten am westpaläarktischen
          Wasserfrosch-Komplex zu rechnen. Aktuelle Informationen können über
          folgende Internet-Adresse abgerufen werden:
  
          http://evolution.genetics.washington.edu/waterfrogs.html
  
		Abschließend sei allen gedankt, die durch ihr Engagement
          bzw. finanzielle Zuwendungen zum Gelingen des Symposiums beitrugen.
          Hier ist an erster Stelle die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Bonn)
          zu nennen, ohne deren großzügige finanzielle Unterstützung die
          Teilnahme der osteuropäischen und türkischen Wissenschaftler nicht möglich
          gewesen wäre. Ein weiterer Geldbetrag wurde vom Opel Autohaus an der
          Hansastraße (Berlin) gespendet, wofür an dieser Stelle noch einmal
          herzlich gedankt werden soll.
  
		Dr. Jörg Plötner Museum für Naturkunde 
		Institut für Systematische Zoologie  DNA-Labor Invalidenstraße 43 
		10115 Berlin 
		Telefon: 4930-2093 8508 
		Telefax: 4930-2093 8528 
		e-mail: joerg.ploetner@rz.hu-berlin.de
		 
         
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